Produktionsplanung

Was macht eine gute Planung aus?

Ergebnisse einer empirischen Umfrage in Produktionsunternehmen
Lesedauer:  6 Minuten

Logistische Kenngrößen wie Bestände, Liefertreue und Durchlaufzeit spielen eine wichtige Rolle in der Produktionsplanung und -steuerung. In einer empirischen Studie werden die eingesetzten Planungshilfsmittel und deren Bewertung durch die Unternehmen untersucht. Der Detaillierungsgrad der Planung, die Verwendung von passenden Losgrößen und überlappende Fertigung können Beiträge zur Verbesserung der logistischen Kennzahlen leisten. Diese Zusammenhänge werden hier empirisch nachgewiesen.

Bereits zum dritten Mal wurde im 3-Jahresrhythmus von den Studiengängen Produktion und Management (PMT) und Operations Management (OMT) der FH OÖ am Campus Steyr eine empirische Erhebung in österreichischen Produktionsunternehmen durchgeführt ([1], [2]). Ziel der Umfrage ist es, einen Überblick über die Entwicklung und den Stand der Technik im Bereich der Produktionsplanung und -steuerung in Unternehmen zu erhalten und über die zeitliche Entwicklung Trends herzuleiten und Veränderungen im Produktionssektor aufzuzeigen.

Der 22 Seiten umfassende Fragebogen wurde im Sommer 2009 an 2174 österreichische Produktionsunternehmen verschickt, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen. 113 Unternehmen retournierten den ausgefüllten Fragebogen und im Frühjahr 2010 konnte eine umfangreiche statistische Auswertung abgeschlossen werden. Hier werden nun einige Detailauswertungen, die sich mit der Qualität der Produktionsplanung und der Planungssysteme beschäftigen, präsentiert.

Verwendete Planungshilfsmittel in der Produktion

Bei den angewandten Hilfsmitteln in der Produktionsplanung sind integrierte ERP Systeme und Tabellenkalkulationsprogramme die klaren Favoriten. Rund 70% der befragten Unternehmen setzen diese Planungswerkzeuge ein. Etwas abgeschlagen folgen dann eigene PPS-Systeme und die manuelle Planung, Advanced Planning Systems (APS) werden nur von 18% der Unternehmen verwendet (Bild 1). Bei dieser Frage waren Mehrfachnennungen möglich, daher ist die Summe der ausgewerteten Prozentangaben nicht 100%.

Jodbauer, Planung, Bild 1
Bild 1: Planungshilfsmittel in der Produktion

Schlüsselt man die Umfrageergebnisse nach Branchen auf, so sieht man, dass in den Branchen Eisen und Metall, Maschinen & Stahlbau und in der Elektro- und Elektronikindustrie integrierte ERP-Systeme bevorzugt werden. In der Holz- und holzverarbeitenden Industrie und in der Textil und Bekleidungsbranche rangieren Tabellenkalkulationsprogramme an erster Stelle. Die Unternehmen der Fahrzeug- und Fahrzeugzuliefererindustrie setzen bevorzugt auf eigene PPS-Systeme.

Bewertung des Planungssystems

Die Bewertung des eingesetzten Planungssystems nach Schulnoten (1 – 5) zeigt, dass die Systemstabilität insgesamt am besten bewertet wurde. Dieses Kriterium weist den höchsten Anteil an Bewertungen mit 1 und 2 auf und auch den besten Notendurchschnitt. Es folgen dann die Merkmale Rechenzeiten und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Am wenigsten zufrieden waren die befragten Unternehmen mit der Analysemöglichkeit des Planungssystems, der Abbildungsmöglichkeit der betrieblichen Situation und der Kompatibilität mit vorhandener Software (Bild 2).

Jodbauer, Planung, Bild 2
Bild 2: Bewertung des eingesetzten Planungssystems

Detaillierungsgrad der Planung

Ebenfalls untersucht wurde, wie sich der Detaillierungsgrad der Planung auf Bestände (gemessen in Reichweiten) und die Liefertreue auswirkt. Es wurde im Fragebogen nach dem Detaillierungsgrad der Planung für die Fertigungsaufträge auf Maschinenebene (5 Abstufungen von Einzelmaschine bis Produktionsbereich) und auf Produktebene (5 Abstufungen von Einzelprodukt bis hochaggregierte Produktgruppe) gefragt. Um eine bessere Vergleichsmöglichkeit der verschiedenen Branchen zu erreichen, wurden die Bestände nicht in Stück oder Geldwert gemessen, sondern die Reichweiten in Werktagen als Maßstab verwendet. Dabei wurde zwischen den Reichweiten von Beschaffungslager, Umlaufbestand und Fertigwarenlager unterschieden. Da der Detaillierungsgrad statistisch gesehen kein metrisches Merkmal ist, sondern nur ordinales Skalenniveau (Reihung der Merkmalswerte möglich) aufweist, wurde zur Messung des Zusammenhangs der untersuchten Merkmale der Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman verwendet [3]. Setzt man den Detaillierungsgrad der Planung auf Maschinen- bzw. Produktebene in Korrelation zu den Beständen, so erhält man durchgehend negative Korrelationskoeffizienten (Tabelle 1). Das bedeutet, dass Unternehmen, die eine gröbere Planung der Fertigungsaufträge durchführen, auch geringere Reichweiten bei allen Beständen aufweisen.

Jodbauer, Planung, Tabelle 1
Tabelle 1: Korrelationen Detaillierungsgrad – Reichweiten

Weiters wurde der Detaillierungsgrad der Kapazitätsplanung auf Personalebene (5 Abstufungen von Einzelperson bis Abteilung) erhoben. Analysiert man den Zusammenhang dieses Detaillierungsgrades mit der Liefertreue, so erhält man einen Korrelationskoeffizienten von 0,145. D. h., dass Unternehmen mit einer gröberen Kapazitätsplanung tendenziell eine etwas höhere Liefertreue aufweisen.

Losgrößen werden reduziert

Als weitere Einflussgröße in der Produktionsplanung und -steuerung wurden Losgrößen, aufgeteilt in Produktions- und Transportlosgröße, untersucht. Bei der Entwicklung der Losgrößen zeigt sich ein klarer Trend in Richtung Losgrößenreduktion. Vor allem die Produktionslosgröße wurde in der Vergangenheit von knapp der Hälfte der befragten Unternehmen reduziert, bei der Transportlosgröße beträgt dieser Anteil immerhin noch 40%. Ein Fünftel der Unternehmen hat die Produktionslosgröße sogar stark gesenkt. Kein Unternehmen hat die Losgrößen in der Vergangenheit stark angehoben. Bei 20% ist die Produktionslosgröße gestiegen, bei 12% die Transportlosgröße (Bild 3).

Jodbauer, Planung, Bild 3
Bild 3: Entwicklung der Losgröße in der Vergangenheit

Auswirkungen der Losgrößen auf die Durchlaufzeit Bei der Untersuchung der Losgrößen (gemessen in Werktagen) wurde nicht nur zwischen Produktions- und Transportlosgröße unterschieden, sondern es wurden auch die Losgrößen vor und nach dem Kundenentkoppelungspunkt (KEP) getrennt abgefragt. In Hinblick auf die in vielen Unternehmen in der Vergangenheit durchgeführte Losgrößenreduktion ist interessant, wie sich diese Maßnahme auf die Produktionsdurchlaufzeit auswirkt. Die Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson (Die untersuchten Merkmale sind alle metrisch skaliert.) zwischen den Losgrößen und der Durchlaufzeit ergeben durchwegs positive Korrelationen (Tabelle 2). Insbesondere die Losgrößen nach dem KEP sind signifikant positiv korreliert mit der Durchlaufzeit. D. h., Unternehmen mit großen Produktions- bzw. Transportlosen weisen auch hohe Produktionsdurchlaufzeiten auf.

Ein weiteres Optimierungspotenzial bei den Losgrößen ist die Einführung einer überlappenden Fertigung [4]. Dabei wird nicht gewartet, bis das gesamte Produktionslos an einem Arbeitsplatz fertig ist, sondern man transportiert schon vorher Teilmengen zum nächsten Arbeitsplatz. Um Einflüsse einer überlappenden Fertigung auf die Durchlaufzeit empirisch nachzuweisen, wurde der Quotient Reichweite Produktionslos durch Reichweite Transportlos berechnet. Ist die Produktionslosgröße gleich der Transportlosgröße, so ist dieser Quotient gleich 1. Bei einer überlappenden Fertigung ist der Quotient größer als 1 und er nimmt zu, je größer die Produktionslosgröße im Vergleich zur Transportlosgröße ist. Die Berechnung der Korrelationskoeffizienten dieses Quotienten (vor und nach dem KEP) zur Durchlaufzeit bestätigt die positiven logistischen Auswirkungen der überlappenden Fertigung (Tabelle 2). Je kleiner die Transportlosgröße im Vergleich zur Produktionslosgröße ist, desto kürzer auch die Produktionsdurchlaufzeit.

Jodbauer, Planung, Tabelle 2
Tabelle 2: Korrelationen Losgrößen – Durchlaufzeit

Fazit

Die aktuelle empirische Untersuchung in österreichischen Produktionsunternehmen liefert interessante Ergebnisse für eine gute Produktionsplanung:

  • Gröbere Planung von Fertigungsaufträgen auf Maschinen- und Produktebene korreliert mit geringeren Reichweiten bei Beständen.
  • Gröbere Kapazitätsplanung auf Personalebene korreliert mit einer besseren Liefertreue.
  • Die Reduktion von Losgrößen macht sich in einer kürzeren Produktionsdurchlaufzeit bezahlt.
  • Überlappende Fertigung bietet logistische Vorteile. Transportlose, die kleiner sind als Produktionslose, korrelieren mit kürzeren Produktionsdurchlaufzeiten.

Als Hilfsmittel für die Planung werden bevorzugt integrierte ERP Systeme und Tabellenkalkulationsprogramme verwendet, wobei die Nutzer mit der Systemstabilität, den Rechenzeiten und der Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse am meisten zufrieden sind. Aufholbedarf gibt es bei den Analysemöglichkeiten, der Abbildungsmöglichkeit der betrieblichen Situation und der Kompatibilität mit vorhandener Software.

Schlüsselwörter:

Produktionsplanung, Losgröße, Produktionsunternehmen, empirische Studie

Literatur:

[1] Gmainer, R., Jodlbauer, H.: Erfolgsfaktor Liefertreue – Hohe Liefertreue sichert Wettbewerbsvorteile. PPS Management 11, 2006.
[2] Jodlbauer, H., Schaumberger, W.: Erfolgsfaktor Flexibilität – Was zeichnet liefertreue Unternehmen aus? PPS Management 10, 2005.
[3] Fahrmeir, L., Künstler, R., Pigeot, I., Tutz, G.: Statistik – Der Weg zur Datenanalyse. 5. verbesserte Auflage, Springer, Berlin, 2004.
[4] Jodlbauer, H.: Produktionsoptimierung, Wertschaffende sowie kundenorientiert Planung und Steuerung, 2. erweiterte Auflage, Springer, Wien, 2008.

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